22.6.2023

Gelungener Auftakt

Es war ein kräftiges Zeichen der Lebensfreude, mit dem die Schülerinnen und Schüler aus dem Schulhaus Daleu die Synode eröffneten. Vor rund 100 Pfarrpersonen und Gästen sangen sie unter der Leitung von Jürg Gysin das Churer Maiensässlied und das Schulschlusslied. Der Gesang fand den Weg von Herz zu Herz mühelos. Die Kinderstimmen füllten den Raum der Comanderkirche mit Optimismus und Leichtigkeit - auch wenn kurz danach das Wort „Krise“ auffällig oft zu hören war.

„Es sind stürmische Zeiten“, sagte Dekan Thomas Müller-Weigl in der Eröffnungsansprache. Das Gefühl der Sicherheit sei in den vergangenen Jahren gründlich erschüttert worden. Angesicht von Corona, Krieg und Umweltkrise sei die Kirche ganz neu gefordert. Menschen suchten nach Antworten, Sinn und Orientierung. „In welcher Haltung wollen wir Kirche sein?“, fragte er und plädierte dafür, nicht zu klein zu denken und zu handeln. Eine Kirche, die nur das Bestehende sieht, sei untergangsgefährdet, eine Kirche jedoch, die Potentiale sehe, habe Zukunft. Als Beispiel nannte er die Themen Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Nein, "herbeireden" liesse sich da nichts, auch mit Predigten nicht. Doch der Versuch, im Alltag an den Themen dranzubleiben und Lösungen zu suchen, lohne sich sehr. „Gottes Zukunftsträume zu leben macht froh“, meinte Müller. Zudem würden solche Themen Brücken zu Menschen,  die sonst wenig Kontakt zu kirchlichen Aktivitäten hätten.

Einen pointierten Blick von aussen bot das Gastreferat von Roger de Weck. Der Journalist und Publizist sprach über „Humanismus und Demokratie“. Er führte aus, weshalb Pazifismus zwar als persönliche Haltung tauge, nicht aber für die Politik. Der Pazifismus sei eine wertvolle Utopie. Von anderen jedoch zu fordern, auf Waffen oder Waffenlieferungen zu verzichten, sei anmassend. „Auch die reformierte Kirche gäbe es nicht, wenn die damaligen Protestanten Pazifisten gewesen wären“, so de Weck. Die aktuellen Krisen seien eine ständige Einladung, neu zu denken. „Der Mensch denkt langsam, und er denkt noch langsamer, wenn er umdenken muss.“ Das gelte für die Klimafrage ebenso wie für die Digitalisierung oder die Diskussionen um die künstliche Intelligenz. Für den adäquaten Umgang mit Krisen brauche es demokratische Verfahren, es brauche Debatten, das Miteinander von Staat, Wirtschaft und Institutionen. Nicht zuletzt auch mit Blick auf die Folgen des Wirtschaftsliberalismus, der in den vergangenen vier Jahrzehnten die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht hat - wobei mittlerweile auch in der Schweiz die Mittelschicht von unten her erodiere. "Ungleichheit ist Gift“, sagte de Weck, „wir stehen in der Pflicht, für jene einzustehen, denen es schlecht geht.“

Mit Blick auf das Comanderjahr wies Kirchgemeindepräsident Curdin Mark in seinem Grusswort auf die historischen Ereignisse um das Jahr 1523 hin, als der Stadtrat Johannes Comander als Pfarrer nach Chur berief. Comander wurde einer der bedeutendsten Reformatoren im Gebiet der Drei Bünde. Er hat die Ilanzer Religionsgespräche entscheidend mitgeprägt und bald darauf auch die Anfänge der Bündner Synode. Letztere zähle heute zu den "ältesten Gefässen der Demokratie welweit", so Mark. Synode heisse, sich auszutauschen, zuzuhören, zu reflektieren und die eigene Meinung im Diskurs zu verfeinern. "Die Synode ist ein einmaliger Ort", so Mark, „haben Sie Mut und geben Sie acht darauf, sich nicht im Kleinen zu verstricken.“

Beitrag in der Südostschweiz

Stefan Hügli
Kommunikation


Bild: "Stiller Berg, viel lieber Wald, hoher Freude Hallen": Die Schülerinnen und Schüler aus dem Schulhaus Daleu während der Eröffnungsfeier.