29. Januar 2020

Herausforderung Kasualien

Die Bündner Pfarrpersonen haben in Chur über den Wandel bei den kirchlichen Handlungen wie Taufe, Trauung oder Abdankung diskutiert.

Gesucht wurde eine „gemeinsame Grundhaltung“, wie und ob den Wünschen nach immer individuellerer Gestaltung begegnet werden kann. Die Verunsicherung war an der synodalen Arbeitstagung im Saal des Kirchgemeindehauses Comander spürbar. Grund dafür ist die Tatsache, dass Pfarrpersonen bisweilen in Clinch mit ihrem eigenen Kirchenverständnis oder mit der Kirchenordnung kommen. Wie ist umzugehen mit dem Wunsch nach einer kirchlichen Trauung, in der das Wort „Gott“ nicht genannt werden soll? Wie mit dem Wunsch nach der Taufe eines Kindes im Rahmen einer privaten Feier, losgelöst vom Gemeindegottesdienst? Und was ist, wenn die Taufe dann doch im Gemeindegottesdienst stattfindet, die Gemeinde aber nicht sichtbar anwesend ist?

Für den Blick von aussen sorgte Thomas Schlag vom Zentrum für Kirchenentwicklung der Universität Zürich. Er zeigte auf, dass in den letzten 20 Jahren bei den kirchlichen Handlungen Selbstverständlichkeiten weggebrochen sind. Einerseits ist den Pfarrpersonen mit freien Ritualbegleitern Konkurrenz erwachsen. Andererseits sind die Wünsche nach individueller Gestaltung ausgeprägter geworden. „Wir gehen immer noch von einer pluralismusfähigen Volkskirche aus“, gab Schlag zu bedenken, doch bei den Kasualien zeige sich, mit welchen Spannungen diese Vorstellung verbunden ist: Während die einen sie vor dem Hintergrund einer christlichen Gemeinschaft verstünden, würden andere darin eine Dienstleistung der Kirche sehen. Die Tendenz zu letzterem sei zunehmend.

„Nicht jammern“, mahnte Thomas Schlag die rund 100 Kirchenleute und warb dafür, stolz darauf zu sein, dass Menschen von der Kirche etwas erwarteten, was ihnen Sinn gebe und im Leben trage. Nach wie vor stellten kirchliche Trauerfeiern eine Öffentlichkeit her, die weit über den privaten Rahmen hinausgeht. Was die besonderen Wünsche angeht, plädierte der Professor für Offenheit und Profiliertheit zugleich. Es gelte nachzufragen, was hinter den Wünschen stehe, doch zugleich müssten kirchliche Akteure klar benennen, was sie anzubieten hätten – und was nicht. „Flexibilität allein ist keine Lösung“, sagte Schlag und und wechselte noch einmal die Perspektive: Bisweilen hätten herkömmlich gestaltete Kasualien auch Vorteile. Beispielsweise dann, wenn es in einer Familie Konflikte gibt. Da könne es entlastend sein, wenn Angehörige bei einer Trauerfeier nicht alles selber sagen und machen müssten, sondern eine Drittperson mit der nötigen Erfahrung für Ausgewogenheit sorge.

Neue Geschäftsordnung. Abgesehen von der Kasualienfrage berieten und bereinigten die Synodalen die Vorlage einer neuen Geschäftsordnung. Im Wesentlichen ging es dabei um die Anpassung an die neue Kirchenverfassung.

 

Bild: Prof. Thomas Schlag vom Zentrum für Kirchenentwicklung im Gespräch mit Pfrn. Ursina Hardegger, St. Antönien.