1.6.2022
EGR: Wahlen, Jahresrechnung, Ukraine
Der Evangelische Grosse Rat hat am Mittwoch in Chur Hanspeter Wildi in den Kirchenrat gewählt. Der gelernte Beriebsdisponent, Personalmanager und Mediator wird Nachfolger von Finanzchef Eugen Caduff, welcher per Ende Jahr seinen Rücktritt erklärt hat. Wildi hat sich mit 36 von 55 gültigen Stimmen gegen Mitbewerber Georg Ragaz durchgesetzt. Eine der Aufgaben, die Wildi zu gestalten haben wird, ist die Suche nach einem neuen und mehrheitsfähigen Finanzausgleich. Dabei könnte ihm zu Gute kommen, dass er als Präsident der Kirchgemeinde Grüsch/Fanas/Valzeina die Sorgen der finanzabhängigen Gemeinden bestens kennt. Hanspeter Wildi wird sein Amt am 1. Januar 2023 antreten.
Solide Zahlen. Die Räte berieten und genehmigten den Amtsbericht des Kirchenrats und die Jahresrechnung der Kantonalen Evangelischen Kirchenkasse. Letztere schloss mit einem Finanzierungsüberschuss von CHF 2.92 Mio ab. Grund für das ausserordentlich gute Ergebnis seien solide Steuer- und Vermögenserträge sowie die Tatsache, dass zahlreiche Veranstaltungen aufgrund der Pandemie abgesagt oder online durchgeführt worden sind, so Kirchenrat Eugen Caduff. Die Rechnung weist einen Gewinn von CHF 76‘000.- aus; der restliche Überschuss wird für Vorfinanzierungen von kirchlichen Bauten und von bezugsberechtigten Kirchgemeinden sowie zur Äufnung von Fonds verwendet - beispielsweise des Fonds für Frauen- und Genderfragen oder des Fonds für reformierte Identität in Graubünden. Die finanzielle Lage der Landeskirche sei sehr solid, sagte Kirchenrat Eugen Caduff. Umso wichtiger sei es, Reserven für unsichere Zeiten anzulegen.
Für Diskussionen sorgte ein Antrag der Synode, wonach der Kirchenrat eine „Wegleitung für Behörden“ ausarbeiten solle. Eine solche gibt es bereits für Pfarrpersonen, seit Neuestem auch für Sozialdiakoninnen und Sozialdiakone, es sei darum folgerichtig, dass auch die Mitglieder der Kirchenvorstände eine solche bekämen. Im Rat war das Anliegen umstritten. Während die einen den Vorschlag als „nützlich und hilfreich“ für die Praxis insbesondere auch bei Konflikten bezeichneten, störten sich andere an einer „weiteren Reglementierung“. Verfassung und Grundsatzpapier zur Gemeinsamen Gemeindeleitung seien genug, sagte etwa der Churer Kirchgemeindepräsident Curdin Mark und Fred Schütz erinnerte daran, dass Vorstandsarbeit in den Kirchgemeinden nach wie vor ehrenamtlich erfolge. Er befürchtete, dass eine zu starke Reglementierung die Suche nach Vorständen erschweren könnte. Die Räte überwiesen den Antrag mit 25 gegen 22 Stimmen bei 9 Enthaltungen.
Gesetzesvorlage. Ohne Überraschung verlief dagegen die Beratung des Gesetzes über die landeskirchliche Rechtspflege. Die Vorlage beseitigt bestehende Unsicherheiten, erhöht die Rechtssicherheit und ermöglicht der Landeskirche eine gewisse Eigenständigkeit in der Rechtssprechung. Die Räte verabschiedeten das "Rechtspflegegesetz" einstimmig. Zudem wählten sie eine Vorberatungskommission für ein Gesetz über die Durchführung von Visitationen. Dieser werden angehören: GR Peter Engler, Davos Dorf, Anita Kasper, Buchen, Pfrn. Karin Ott, Maienfeld, Pfr. Fadri Ratti, Felsberg und Fred Schütz, Chur. Die Umsetzung der neuen Kirchenverfassung ist nach wie vor auf Kurs.
Einen Einblick in die Situation der Kirchen und Religionsgemeinschaften der Ukraine bot das Referat von Stephan Kube, Institutsleiter von G2W – Ökumenisches Forum für Glauben, Religion und Gesellschaft in Ost und West. Mit Blick auf die Russisch-orthodoxe Kirche und die umstrittenen Äusserungen des Patriarchen Kyrill plädierte Kube für Dialog statt Ausschluss. "Kontaktabbruch ist langfristig keine gute Strategie", sagt Kube. Für das einst vom Bündner Pfarrer Eugen Voss gegründete Institut G2W, das dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiern kann, sei es darum wichtig, die Vielfalt der Stimmen und Perspektiven im Konflikt sichtbar zu machen. „Klartext, aber keinen Ausschluss“ forderte Kube auch mit Blick auf die bevorstehende Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe. Auch die Stimme der Ukrainisch-orthodoxen Kirche müsse dort gehört werden. Vor dem Evangelischen Grossen Rat in Chur plädierte Kube dafür, den Kontakt mit russisch-orthodoxen Gemeinden der Schweiz zu pflegen. Schliesslich seien das die Orte, wo die aus der Ukraine geflüchteten Menschen hingingen.
Mit Dank verabschiedet wurde Ratspräsident Franz Rüegg, dessen vierjährige Amtszeit durch die Beratung diverser Gesetzesvorlagen im Zuge der Umsetzung der neuen Kirchenverfassung geprägt war. Er werde nun „von der vordersten Front“ zurücktreten, so Rüegg, jedoch weiterhin mit Interesse verfolgen, wie die Bündner Reformierten ihre Zukunft gestalteten.
Stefan Hügli
Kommunikation
Amtsbericht 2021 des Kirchenrats
Bild: Frisch gewählt! Hanspeter Wildi wird ab Januar 2023 die Finanzen der Kantonalen Evangelischen Kirchenkasse verantworten.