28. August 2023
„Für ein gutes Klima“
Was können Kirchgemeinden für die Umwelt tun und wie verändert die Digitalisierung die Kirchen? 80 Bündner Kirchgemeindeverantwortliche haben sich in Flims diesen Fragen gestellt. Bei ihnen zu Gast: Theologin Sabrina Müller und die Energieberater Peter Baumann und Peter Maier.
Digitalität prägt heute fast alle Bereiche des Lebens. Sie bestimmt, wie Menschen kommunizieren, einkaufen, zusammenarbeiten, wie sie Zugang zu Wissen finden, sich eine Meinung bilden, Beziehungen suchen und gestalten. Dass auch die Religion von diesem Wandel nicht ausgenommen ist, zeigte die Gastreferentin Sabrina Müller von der Universität Zürich in aller Deutlichkeit auf. Der Titel ihres Referats: „Vernetzung und Spiritualität – wie die Digitalisierung die gesellschaftliche Bedeutung der Kirche verändert“. Müller verwies auf die enorme Zunahme von Podcasts und Streamings, präsentierte eine App für Meditationen und Gebete und zeigte Instagram-Accounts von Pfarrpersonen mit zigtausend Followern, dazu auch Beispiele, die unter den Gemeindeverantwortlichen für Augenreiben sorgten: einen Grabstein mit QR-Code, welcher auf eine digitale Gedenkseite verweist, einen Roboter, der buddhistische Beerdigungsrituale liest oder eine Online-Kirche, in der Kinder virtuell getauft werden.
Was also verändert sich, wenn Religion digital wird? Ganz schön viel. Das Wichtigste laut Sabrina Müller: Es entstehen interaktive Angebote, die weder an zeitliche noch an geographische Grenzen gebunden sind und mit ihnen neue Formen von Gemeinschaft. "Wir werden in Zukunft digitale und analoge Formen von Gemeinschaft noch enger zusammen denken", so die promovierte Theologin und Privatdozentin. Weitere Chancen für die traditionellen Kirchen ortet sie bei der Kontaktpflege, beim Streaming von Gottesdiensten, beim Anbieten von Bildungsangeboten in hybrider oder virtueller Form und bei neuen Möglichkeiten für Fundraising und Wohltätigkeit. Klar ist für sie auch: Mit der Digitalisierung von Religion findet eine Machtverschiebung statt. Die Deutungshoheit der institutionellen Kirchen wird weiter eingeschränkt und auch extreme Position bekommen die Chance, sich Gehör zu verschaffen.
In der Diskussion zeigte sich, dass die von Sabrina Müller genannten Entwicklungen ein Kirchenmodell, das auf Mitgliedschaft und Gemeindeautonomie gründet, vor grosse Herausforderungen stellt. Digitale Formen von Religion würden die vor Ort gelebte Glaubenspraxis ergänzen, nicht aber ersetzen, beschwichtigte die Referentin. Dennoch gelte es nach Wegen zu suchen, wie "grösser solidarisch" gedacht werden könne "ohne die Ortsgemeinde zu verraten". Bemerkenswert ist laut Müller die Tatsache, dass die spannendsten Influencerinnen aus dem Bereich Religion lediglich teilzeitlich digital unterwegs sind. Sie arbeiten zugleich als Pfarrerinnen in einer Kirchgemeinde, wo sie Freud und Leid der lokalen Glaubensgemeinschaft hautnah miterleben.
Kirche und Umwelt. Einen zweiten thematischen Schwerpunkt setzte das Referat von Bauingenieur Ernst Baumann. Er präsentierte Energiemesswerte aus 500 Kirchen, sprach über den Zusammenhang von Raumtemperatur und relativer Feuchtigkeit und erwog Vor- und Nachteile unterschiedlicher Heizungssysteme. „Heizen heisst trocken und trocknen führt unweigerlich zu Schäden“, so Baumann. Kirchen sollten deshalb nur kurz vor einem Anlass geheizt werden und auch das mit Zurückhaltung. „Weniger heizen – anders heizen“, dafür plädierte auch Theologe und Energieberater Peter Maier. Er warb für die Kontrolle des Raumklimas durch automatisches Öffnen, bzw. Schliessen der Fenster. Das zahle sich aus, übrigens auch die Montage von Solarzellen auf dem Kirchendach, wie im Nachbardorf Trin zurzeit in Bau. Die Gemeinde könne damit den Ausstoss von 3,5 Tonnen CO2 vermeiden – pro Jahr.
Wie sehr die Sensibilisierung für umweltverträgliches Handeln Teil der Gestaltung kirchlichen Lebens geworden ist, zeigte auch Finanzverwalter Marcel Schädler. Zwar könne durch bauliche Massnahmen am meisten fürs Klima getan werden, doch auch weniger kostspielige Massnahmen dürften in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden: Lokaler und nachhaltiger Einkauf etwa, Vermeidung von Foodwaste, konsequente Mülltrennung oder ökologische Reinigungsmittel. „Ja, das ist mit Mehraufwand verbunden“, sagte Schädler, doch ohne diesen sei Klimaschutz nicht zu haben. Zudem dürften Kirchgemeinden und Regionen auf finanzielle Unterstützung zählen: Im Rahmen des Strategieziels „Klimagerecht handeln“ hat der Kirchenrat CHF 600‘000 bereitgestellt, um entsprechende Projekte zu fördern.
Stefan Hügli
Kommunikation
Bild: Lustvoll gespielt: Im Rahmenprogramm der Zukunftstagung phantasierte die Theatergruppe Flims, wie eine Kirchenvorstandssitzung im Jahre 2050 vonstattengehen könnte. Ihr Spiel sorgte für viel Schmunzeln und langen Applaus. Foto: Stefan Hügli