1.9.2025

«Orientierung im religiös-spirituellen Markt»

80 Gemeindeleitende aus 30 Bündner Kirchgemeinden haben sich an der Zukunftstagung in Chur über die aktuellen Trends in der Spiritualiät informieren lassen. «Einen Sinn im Leben zu finden, ist vielen Menschen ein wichtiges Anliegen», sagte der Religionsexperte Georg Otto Schmid von relinfo, der Fachstelle für Religionen, Sekten und Weltanschauungen in Rüti ZH. So habe beispielsweise der Bibelverkauf in Grossbritannien um 87 Prozent zugenommen. Ebenso prägend für den religiös-spirituellen Markt seien jedoch Verschwörungstheorien zur Vereinfachung einer komplex gewordenen Welt, Spiritualitätserfahrungen in Kombination mit einfachen Rezepten, Heilungsrituale sowie Ermächtigungstechniken wie beispielsweise das Manifestieren.

Wie umgehen mit dieser Vielfalt? Schmid riet den Gemeindeleitenden, zwischen gesundmachenden und krankmachenden Formen zu unterscheiden. «Tut’s gut? Tut’s nicht gut?». Zudem plädierte er dafür, stolz auf die reformierte Kultur zu sein. Sie biete Gemeinschaft, einen aufgeklärten Umgang mit Glaube und Bibel, halte neben dem Vertrauen auch Kritik und Zweifel hoch und sei pluralismusfähig. «Das sind klare Stärken», sagte der Religionsexperte. Zudem geniesse die reformierte Kirche hohe Glaubwürdigkeit und sei an vielen Orten gut verwurzelt, nicht zuletzt auch durch die Praxis der Abdankungen. «Sorgt dafür, dass das so bleibt.»

«Fresh Expressions». Ein weiteres Referat widmete sich neuen Formen von Kirche. Die Theologin Franziska Huber stellte Beispiele aus dem Kanton Bern vor, darunter eine Velowerkstatt und ein Coiffeursalon. Volkskirche müsse das Evangelium so vermitteln, dass es tröste und befreie – nicht nur eine kleine Minderheit. Dazu bedürfe es der experimentellen Formen ausserhalb der klassischen Kirchgemeinden – oder zumindest ergänzend dazu. «Ja, es ist ein Tanz zwischen Neuem und Bewährtem», und nicht selten entstünde zwischen «Pionierinnen und Pionieren» und Vertretenden der etablierten Kirchenkultur ein Kampf um Ressourcen.

An der Tagung wurde deutlich: Spirituelle Räume zu öffnen, ist ein wichtiger Beitrag der Volkskirchen zum Gemeinwohl. Wie das gelingen kann, diskutierten Fachpersonen auf einem Podium und erforschten die Teilnehmenden in Workshops. Aus diesen Themen konnten sie wählen: «Räume der Stille öffnen» mit Pfarrerin und Kontemplationslehrerin Noa Zenger; «Der Körper als Mass» mit Theologin und Yogalehrerin Leela Sutter; «Wie steht’s mit Beten?» mit dem Theologen Dr. Andreas Loos; «Erfahrungen mit dem Glaubenskurs LUV» mit Pfarrerin Judith Borter sowie «Pilgern» mit Pilgerbegleiter und Spitalseelsorger Josef Schönauer.

Stefan Hügli
Kommunikation

Bild: Das Team hinter der Zukunftstagung: Cornelia Mainetti (Behördenbildung) und Pfrn. Claudia Bollier Hülsen.
Foto: Stefan Hügli