27. Juni 2019

«Wir pflegen eine Kultur der Offenheit», betonte die Dekanin der reformierten Landeskirche Graubünden in ihrer Eröffnungsansprache in Poschiavo. Dort ist am Donnerstag, die fünftägige Synode, an der alle reformierten Pfarrpersonen des Kantons teilnehmen, eröffnet worden. Dieses Gefäss ist einzigartig in der gesamten Kirchenlandschaft der Schweiz. Ein strukturelles und kollegiales Organ zugleich. Seit jeher sei es ein Pfeiler der Bündner Landeskirche gemischt-national zu sein, so die Dekanin weiter. Fünfzig Prozent der derzeitigen Bündner Pfarrpersonen sind Deutsche. Ängste vor Überfremdung etwa, die immer wieder Teil des gesamtgesellschaftlichen Gefühls seien, könnten die Synodalen an sich selbst erkennen, bearbeiten und so mit einer positiven Identität in die Gesellschaft hineinwirken. Unter dem Titel «Was ist ein Kollege», wies Camichel-Bromeis darauf hin, dass Kollegialität Ressource statt Konkurrenz sein sollte. «Mit der Bündner Synode haben wir ein grandioses Übungsfeld dazu».

Vielfalt als Chance zur Kreativität war auch das Thema von Paolo Tognina. Der Journalist und Pfarrer ist im Puschlav aufgewachsen. Er ist Redaktor beim Radiotelevisione Svizzera Italiana (RSI). An der Synode berichtete er über die Geschichte der konfessionellen Trennungen im Val Poschiavo bis in die Schulen hinein. Schon damals mussten Menschen reformierten Glaubens kreativ sein, um etwa im Geschäftsleben weiter zu kommen. Heute gibt etwa es 15'000 italienisch-sprechende Reformierte in der Schweiz. Eine Minderheit. Tognina ist der Überzeugung, dass Minderheiten nur dann gut überleben können, wenn sie einen «positiven, offenen und grosszügigen Beitrag» in die Gesellschaft geben.

Brückenfunktion des Puschlavs. Der ortsansässige Pfarrer Antonio di Passa und der Kirchgemeindepräsident Karl Heiz begrüssten die Anwesenden. Letztgenannter erwähnte, wie wichtig gute Anstellungsbedingungen seien, damit immer wieder pfarramtlicher Nachwuchs in entlegenere Orte wie das Val Poschiavo komme. Von politischer Seite sprach Podestà Giovanni Jochum. Er betonte die Brückenfunktion des Puschlavs, die Grösse (das Tal ist so gross wie der Kanton Zug) und die Tatsache, dass die meisten Einheimischen ab 15 Jahren erst einmal den Ort verlassen müssen, um sich ausbilden zu lassen.

Drei neue Pfarrpersonen stellen sich vor. Traditionellerweise bitten an der Synode Pfarrpersonen um Aufnahme in dieselbe. In diesem Jahr stellten sich mit Curriculum vitae und Predigt vor: Balthasar Bächtold, Filisur/Albula/Alvra, Reinhard Eisner, Jenaz/Buchen sowie Brigitte Unholz, Sent. Die Predigten handelten von Feindesliebe (Paulus), dem Lob der Gemeinschaft (Pfingstereignis) und der Stärkung durch heilsame Begegnungen (Elia).

Thesen zum Bündner Pfarramt stellte eine Arbeitsgruppe, bestehend aus fünf Pfarrpersonen, dem Plenum vor. Danach soll sich die Synode unter anderem zur Wohnsitzpflicht positionieren,  Überlegungen zu einer einheitlichen Besoldung für das Pfarramt anstellen und eine flexiblere Handhabe beim Thema Religionsunterricht in Betracht ziehen. Derzeit müssen Bündner Pfarrpersonen bei einem 100-Prozent-Pensum acht Schullektionen pro Woche erteilen. Zudem haben sie die Pflicht, unabhängig ihres Pensums, in der jeweiligen Kirchgemeinde Wohnsitz zu nehmen.