30.1.2024

"EINE SPRACHE FINDEN, WENN DIE WORTE FEHLEN"

"Demenz" war das Thema der synodalen Arbeitstagung in Chur. An einer ausserordentlichen Synode standen Gesetzgebung und eine Wahl auf dem Programm.  

Vor rund 80 Pfarrerinnen und Pfarrern sprach Patrizia Weigl-Schatzmann über ihre Erfahrungen mit demenzkranken Menschen. Gleich zu Beginn machte die Seelsorgerin der Psychiatrischen Universitätsklinik Bern klar, wie grundlegend Demenz sich von Vergesslichkeit unterscheidet. Durch den fortschreitenden Abbau des Bewusstseins seien Betroffene dem Unbewussten, "dem ES-Artigen", ausgeliefert. Demenz sei ein fortschreitender Kontrollverlust. Die Krankheit löse Scham und existentielle Ängste aus, einschließlich der Angst, sich selbst zu verlieren.

Eine zusätzliche Belastung für Betroffene ist, dass unter Umständen längst vergessene Traumata wieder an die Oberfläche kommen und damit auch Traurigkeit, Wut oder Aggression. Zugleich fehlten Worte, Erinnerungen und auch Beziehungen zunehmend. Betroffene benötigten daher dringend Schutz, mahnte Weigl-Schatzmann an. Auch die Seelsorge könne ein solcher Schutzraum sein. Mit der Methode der "Validation" plädierte sie für Respekt vor der Andersartigkeit des Erlebens: "Nicht fragen, sondern die Andersartigkeit des Erlebens akzeptieren und das Bedürfnis hinter dem Gesagten spüren." 

In der Seelsorge gehe es darum, präsent zu sein, auszuhalten und die Irritationen zu akzeptieren. Nichts weniger als eine neue Sprache müsse gefunden werden. "Versucht die Not hinter den Irritationen zu spüren", riet Weigl-Schatzmann und appellierte, unbedingt darauf zu achten, Betroffene nicht zusätzlich zu beschämen. "Die Würde zu bewahren ist unser Programm". In der Diskussion wurde deutlich, wie oft Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrem Alltag mit von Demenz betroffenen Menschen zu tun haben – und wie herausfordernd auch für sie der Umgang damit ist.

Außerordentliche Synode. Im geschäftlichen Teil drückten die Synodalen ihre Sorge über die Weltlage in einem Friedensgebet aus. Sie nahmen Stellung zur Vorlage eines landeskirchlichen Steuer- und Beitragsgesetzes und wählten Pfarrer Dr. Simon Becker in die landeskirchliche Rekurskommission. Mit langem Applaus verabschiedet wurden Barbara Hirsbrunner als Kirchenrätin und Pfarrerin Simona Rauch als erste Vizedekanin. Ihre Nachfolgerin ist Pfarrerin Simone Straub.

Stefan Hügli
Kommunikation

Friedensgebet


"Das Bedürfnis hinter dem Gesagten spüren" – Pfrn. Patrizia Weigl-Schatzmann im Comanderzentrum in Chur.
Foto: Stefan Hügli