25. Juni 2021

Emotionen und Klärungen

Nein, die Bündner Synode werde keine Stellungnahme zur Abstimmung vom 26. September zum Thema „Ehe für alle“ abgeben. Das haben die Bündner Pfarrpersonen an ihrem zweiten Sitzungstag in Splügen beschlossen. Statt dessen solle eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die zu geeigneter Zeit Vorschläge erarbeitet, wie mit dem Abstimmungsergebnis umzugehen sei. Dieses kurze Ergebnis soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Weg dazu ein reichlich langer mit einer für die Synode ungewohnt hitzigen Debatte war. In einem Überblicksreferat zeigte Kirchenrätin Miriam Neubert den Stand der politischen Diskussion auf, umriss die strittigsten Punkte und rief die Position der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) in Erinnerung, welche die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare befürwortet und den zivilen Ehebegriff auch für kirchliche Trauungen zu übernehmen empfiehlt.

Bereits mehrfach hat sich die Bündner Synode mit dem Thema auseinandergesetzt. Erstmals 1994 in Ardez mit einem Dringlichkeitsbeschluss zur „Segnung gleichgeschlechtlicher Paare“, oder 1998 in Flims, als eine kirchenrätliche Ethikkommission eine Stellungnahme zu „Segens- und Kasualhandlungen für Menschen in besonderen Lebenslagen“ vorlegte. 1999 dann verabschiedete der Evangelische Grosse Rat die revidierte Verordnung 210 (Leben und Aufbau der Kirchgemeinde), in der die Segnungsfeier für „Menschen in besonderen Situationen“ erwähnt und empfohlen wird. Die Diskussion vom Donnerstag in Splügen machte den Fächer noch einmal weit auf. Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, Pluralität der Familien- und Lebensformen. Diskutiert wurden aber auch weitergehende ethische Fragen, zum Beispiel in Zusammenhang mit dem Zugang zu Samenspenden auch für lesbische Paare oder mit dem „Kindswohl“.

Emotionen und Klärungen. Von „Populismus“ und einem „postmodernen Patriarchat“ sprach etwa Pfarrer Heinz-Ulrich Richwinn, Zizers. Er kritisierte die vorschnelle Verknüpfung eines sozialethischen Diskurses mit der Kasualpraxis. Das sei zu simpel, zu verkürzt. „Wir diskutieren sehr politisch“, bemängelte Pfarrerin Désirée Bergauer-Dippenaar, Untervaz. Die Frage, welche die Synode zu klären habe, sei nicht, was sie für richtig oder falsch halte, sondern wie die Bündner Kirche für Menschen da sein könne. Auch Pfarrerin Ursula Müller-Weigl, Arosa, plädierte dafür, sich nicht in Detailfragen festzubeissen. Kirche habe die Aufgabe, ihre Räume weit offen zu lassen, so dass darin Segen erbeten werden könne - für Menschen, die das wünschten. Das entspreche dem Evangelium von Jesus Christus.

Vernehmlassung und Aufnahmen. Im Gegensatz zur Diskussion um die „Ehe für alle“ sorgte die Vernehmlassung zur neuen Geschäftsordnung des Evangelischen Grossen Rats kaum für Diskussionen. Die Vorlage war unbestritten und wurde einstimmig gutgeheissen. Gleich sieben Mal „ja“ sagten die Synodalen auch zu den Aufnahmegesuchen – dies in der geschlossenen Sitzung vom Freitagnachmittag. Alle Pfarrpersonen, die ein Gesuch um Aufnahme gestellt und sich mit Lebenslauf und Predigt der Synode vorgestellt haben, sollen aufgenommen werden. Es sind dies: Eva Maria Anderegg-Blaas (Seelsorgerin PDGR), Astrid Fiehland van der Vegt (Davos Dorf/Laret und Seelsorgerin Hochgebirgsklinik), Andreas Jecklin (Davos Platz), Daniel Lippuner (Klosters-Serneus), Jürg Peter Scheibler (Avers und Ferrera), Andreas Wassmer (Oberengadin), Andrea Esther Witzsch (Bregaglia). Die Aufnahmefeier wird am Sonntag im Rahmen des Synodalgottesdienstes in der Kirche Splügen stattfinden. Sie gilt als Höhepunkt der fünftägigen Pfarrsynode.

Stefan Hügli
Kommunikation

Bildeindrücke vom Freitag