1.2.2022

Wahl und synodale Arbeitstagung

Christoph Zingg ist Kirchenrat. Das haben die reformierten Bündner Pfarrpersonen an der ausserordentlichen Synode am Montag in Chur entschieden. Zingg ist seit drei Monaten Pfarrer in der Cadi und Geschäftsführer der Stiftung MO VINAVON. Elf Jahre lang hat er in Zürich die Sozialwerke Pfarrer Sieber geleitet. Er erreichte mit 50 von 59 gültigen Stimmen das absolute Mehr im ersten Wahlgang. Sein neues Amt als Departementschef "Aussenbeziehungen" tritt Zingg per sofort an. Aus dem Kirchenrat mit langem Applaus verabschiedet wurden Pfarrerin Miriam Neubert, die neu für die Berner Kirche arbeiten wird, und aus Dekanat und Liturgiekommission Pfarrer Kaspar Kunz.

Ehe für alle. Zwar hat die Synode bereits Ende Juni in Splügen über die „Ehe für alle“ diskutiert und festgehalten, dass die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren im Graubünden bereits seit mehr als 20 Jahren möglich ist. „Die Paare sollen sich willkommen fühlen“ heisst es nun in einem internen Papier, der Entscheid des Stimmvolks vom 26. September zur Öffnung der Ehe sei ein Entscheid  für die gelebte Vielfalt und gegen Diskriminierung. Eine kirchliche Trauung in einer der reformierten Kirchen ist möglich, sobald ein Paar die Ehe auf dem Zivilstandsamt geschlossen hat. Pfarrpersonen, die das aus Gewissengründen nicht tun können oder wollen, haben für eine Stellvertretung zu sorgen, so das Papier weiter. Eine Arbeitsgruppe kam zudem zum Schluss, dass liturgische Anpassungen nicht nötig sind. Die ersten Trauungen von gleichgeschlechtlichen Paaren dürften im Sommer zu erwarten sein.

Im Rahmen der Umsetzung der neuen Verfassung liessen sich die Synodalen zum Gesetzesentwurf über die landeskirchliche Rechtspflege (Rekurskommission) vernehmlassen. Der Entwurf war unbestritten. „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“, sagte Dr. Frank Schuler, der den Entwurf präsentierte. Die gesetzgeberischen Arbeiten zur Umsetzung der Verfassung seien auf Kurs. Als nächste Meilensteine stehen Erlasse zur Zuteilung der Pfarrstellensprozente an, eine Revision der Verordnung über Aufbau und Leben der Kirchgemeinde und ein neuer Finanzausgleich. Abgeschafft haben die Synodalen gestern Montag die Bündner Prüfungskommission, die bisher im Falle ausländischer Bewerber aktiv wurde. Neu sollen Bewerberinnen und Bewerber in den Genuss einer umfassenden Begleitung durch das Dekanat kommen.

Wird Religion immer mehr verschwinden oder steckt sie lediglich in einer Phase des Wandels? Dieser Frage widmete sich die Arbeitstagung vom Dienstag, die online stattfand. Am Beispiel eines Quartiers in der Stadt Bern zeigte die Referentin Claudia Kohli Reichenbach auf, wie sich die Nachfrage nach Spiritualität in den letzten Jahren verändert hat und mit ihr die Formen der Vergemeinschaftung. Die Pfarrerin und Privatdozentin sprach von einem neuen Selbstbewusstsein als dienende Kirche und von einer neuen Sprache - „einfach, frisch und relevant“. In der Diskussion war die Verunsicherung der Pfarrerschaft angesichts des Wandels deutlich zu spüren. Einzelne Stimmen gaben der Hoffnung Ausdruck, dass der weit fortgeschrittene Traditionsabbruch das Loslassen alter und das Erfinden neuer Formen von Kirche mitten im Alltag begünstige. Auch die Hoffnung, dass die biblischen Geschichten auf frisches Interesse stossen könnten, wurde ausgesprochen - gerade weil sie heute vielen kaum noch bekannt seien.

Stefan Hügli
Kommunikation

Bild: Nach 20 Jahren wieder in Graubünden - und gleich Kirchenrat: Pfarrer Christoph Zingg, Disentis/Muster.