12.9.2025
Vielfalt als Bereicherung
“Das Erfolgsmodell Schweiz mit seiner Kompromiss- und Konsenskultur steht unter Druck”, mahnt Regierungspräsident Marcus Caduff im Bettagsmandat der Regierung. In dem an die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Graubünden gerichteten Schreiben äussert sich Caduff besorgt über eine zunehmende Polarisierung und Ideologisierung der Gesellschaft bei gleichzeitig schwindender Kompromissbereitschaft. Empörungsdynamiken und die Vereinfachung komplexer Themen in den sozialen Medien erschwerten differenzierte Lösungen in Konfliktsituationen. “Die grösste Gefahr ist vielleicht nicht der Konflikt selbst, sondern der Verlust der Fähigkeit, tragfähige Kompromisse zu schmieden.”
Die Identität der Schweiz beruhe auf der bewussten Entscheidung zum Zusammenleben in Vielfalt, so Caduff weiter. Sie werde getragen von gemeinsamen Werten wie direkter Demokratie, Föderalismus, vom Willen zur Unabhängigkeit und von einem starken Gemeinschaftssinn. Gerade weil die Schweiz kulturell, topografisch und sprachlich vielgestaltig ist, habe sie ein System entwickelt, das auf Kompromiss, Dialog und Zusammenarbeit basiere. Dadurch würde Vielfalt nicht als Spaltung erlebt, sondern als Bereicherung. Menschen aus verschiedenen Regionen, mit unterschiedlichen Sprachen und Weltanschauungen verstünden sich als Teil einer Nation - aller Unterschiede zum Trotz.
Als Feiertag eingeführt wurde der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag nach den gesellschaftlichen Verwerfungen des 19. Jahrhunderts (Sonderbundskrieg) als Zeichen der Versöhnung und des Miteinanders aller Landesteile und Glaubensrichtungen. Ein ”Selbstläufer" sei dieses Miteinander jedoch nicht, mahnt Caduff. Eine Kompromiss- und Konsenskultur müsse aktiv gepflegt werden. Der Gewinn dabei: Gesellschaften, welche vielfältige Lebenserfahrungen und Sichtweisen integrierten, seien widerstandsfähiger in Krisen und Veränderungen, so Caduff. “Wir alle können einen Beitrag dazu leisten, indem wir zuhören, nachfragen, respektvoll kommunizieren und andere Sichtweisen verstehen wollen.”
Stefan Hügli
Kommunikation