Schreibwerkstatt für Pfarrpersonen

Man sage ungewöhnliche Dinge mit gewöhnlichen Worten  das empfahl Sieglinde Geisel an der synodalen Arbeitstagung in Chur. In einer Schreibwerkstatt führte die Literaturkritikerin und Buchautorin 70 Bündner Pfarrerinnen und Pfarrer durch das kleine Einmaleins des Schreibens. Ziel war es, das eigene Tun zu reflektieren und die Freude am Texten neu zu entdecken. Egal, ob jemand wild drauflosschreibe ("wie ein Gärtner") oder einen Text sorgfältig konstruiere ("wie ein Architekt"), es gehe darum, mit Worten zu überraschen, Mut zur Lücke zu haben, zu Konflikt und Humor. "Sprache ist Energie", rief Geisel in Erinnerung, einfache Worte hätten mehr Kraft als abstrakte, aktive Formulierungen seien stärker als passive. "Schreibt, was man hören, sehen, riechen kann."

Theorie und Praxis. Nach einer Einführung in den "Werkzeugkasten des Schreibens" und spannenden Verweisen auf die Literatur, übten die Pfarrerinnen und Pfarrer, in kurzer Zeit einen Text zu erstellen ("Timed Writing"). "Den ersten Satz, der euch in den Sinn kommt, könnt ihr nehmen", so der Ratschlag. "Schreibt nichts, was die Leute ohnehin schon wissen, sagt Überraschendes." Mit einer kurzen Meditation sorgte Geisel für Entspannung von Körper und Geist, dann setzten sich Dutzende Stifte in Bewegung und das Klicken der Tastaturen füllte den Saal. Wer jetzt schrieb, versuchte den eigenen Gedanken und Bildern zu folgen, den Worten zu vertrauen und "Energiefresser" wie Schachtelsätze, Passivformulierungen oder überlange Sätze zu vermeiden. "Das Unbewusste schreibt mit", hatte Geisel versprochen. Dieses sei oft klüger als der Verstand. 

Die Rückmeldungen der Teilnehmenden zeigten, dass das für die Arbeitstagung gewählte Thema ein Volltreffer war und einem grossen Bedürfnis entsprach. "Ich habe gelernt, wie gut es tut, eine halbe Stunde lang nur zu schreiben, ohne Ablenkung", sagte eine Pfarrerin. Einzelne trugen ihre Texte im Plenum vor, und die Freude über den beim Schreiben erlebten Flow war ihnen anzusehen. Beim Austausch in kleinen Gruppen zeigte sich, wie unterschiedlich derselbe Text von den Anwesenden verstanden wurde, wie verschieden und reich die beim Zuhören entstehenden Bilder und Empfindungen sind. Grund dafür sei, dass ein Text nicht nur beim Schreiben entstehe, sondern ein zweites Mal beim Lesen – "unter Umständen erschütternd anders", so Geisel. Klar für die Literaturkritierin ist: "Ein gut geschriebener Text ist fürs Ohr gemacht und hat viele Möglichkeiten zu wirken."

Stefan Hügli
Kommunikation


Bild: "Du sollst nicht langweilen" - Schreibcoach Sieglinde Geisel lässt Pfarrpersonen die Freude am Schreiben neu entdecken.
Foto: Stefan Hügli