11.6.2022

"Pandemie hat soziale Gegensätze verschärft"

Austausch und gemeinsame Arbeit in Workshops standen im Mittelpunkt des ersten Tags der Synode von Mission 21. Zum Thema "Verletzlichkeit" analysierte die Professorin für feministische Theologie Isabel Phiri die Auswirkungen der Pandemie weltweit. Vormittags setzten aus vier Kontinenten vier verschiedene Perspektiven Impulse zu Aspekten der Verletzlichkeit und der Heilung.

Die Pandemie habe die sozialen Gegensätze weltweit verschärft, stellt Theologieprofessorin Isabel Apawo Phiri in ihrem Referat am Freitagnachmittag fest. Covid-19 habe dazu geführt, dass häusliche Gewalt zunahm und insbesondere benachteiligte Menschen noch stärker in ihrer Existenz bedroht wurden als zuvor. Gerade der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) engagiere sich darum, den Folgen der Pandemie zu begegnen. Isabel Phiri erläutert, wie der ÖRK seine Arbeit international neu ausgerichtet hat, um die weltweiten Kirchen in die Pflicht zu nehmen, sich den Herausforderungen zu stellen, die die Pandemie für Gesundheit, soziale Situation und Seelsorge bedeuten. Isabel Phiri hofft, dass die Herausforderung der Pandemie die Bereitschaft für echten sozialen Wandel und Engagement weckt. Die Synode verdankt ihr engagiertes Referat mit lang anhaltendem Applaus.

Perspektiven von Frauen und Jugend. Bereits am Vormittag befasste sich die Synode mit verschiedenen Aspekten von Verletzlichkeit und Heilung. Aus vier Perspektiven wurden Impulse eingebracht und behandelt, die aus der aktuellen Arbeit von Mission 21 kamen. Aus Asien brachte Vistamika Wangka, Leiterin der Notunterkunft für Frauen in Hongkong, die Perspektive der Frauen ein, die Gewalt erleiden. Gerade für Frauen, die in ihrer Verletzlichkeit Leid erfahren haben, bietet ein sicherer Ort den entscheidenden Rahmen, Heilung zu erfahren. Die Notunterkunft für obdachlose Hausangestellte mit Migrationshintergrund bietet diesen die Möglichkeit, Existenzangst hinter sich zu lassen und im gemeinschaftlichen Zusammenleben mit Leidensgenossinnen den Prozess der Heilung und Stärkung zu beginnen. Heilung und Stärkung erfahren junge Menschen, die kriegerische Gewalt erlitten, durch Traumaverarbeitung; darüber sprach Blessing Famuso in ihrem Referat mit Fokus auf die Perspektive der Jugend. Sie erläuterte, dass Verletzlichkeit die Voraussetzung für Traumabearbeitung sei. Die Erfahrung von und der Umgang mit Schmerz könne eine Stärke sein.

Theologie und Medizin – Perspektiven der Heilung. Für Ruth Vindas Benavides, Pfarrerin aus Costa Rica, gibt der gegenwärtige Zustand der Welt einen ungeschönten Blick auf die Verwundbarkeit als menschliche Wesen. Angesichts derart grosser Zerstörung und schlechter Lebensführung, die wir als Menschheit begangen haben, sei dringend Veränderung nötig. Auch in der Theologie sei es nötig zu lernen, mit allen unseren fünf Sinnen, unser Leben wieder in Griff zu bekommen, unsere Dummheit hinter uns zu lassen und zu erkennen, dass wir Fehler gemacht haben – Erkenntnis aus Leiden. Die Hoffnung, dass aus Schmerz Einsicht entsteht, hegte im vierten Referat auch Pfarrerin Astrid Fiehland van der Vegt aus Davos. Gerade in der Schweiz sind wir nahezu gegen alles mit einer Versicherung abgefedert, nicht nur gegen Krankheit und Berufsunfähigkeit. Bei aller Absicherung müssten wir gleichwohl zugeben, dass wir im Leben von Schmerzen, Verlusten, Scheitern, Krankheit und Tod nicht verschont bleiben, erläuterte Astrid Fiehland und sah darin auch eine Chance.

Bereichernde Gruppengespräche. In der Workshop-Arbeit mit diesen Impulsreferaten engagierten sich die Delegierten insbesondere auch in der Frage, wie wir als Mission 21 zu einer gerechteren Welt beitragen können. Antworten dazu waren: Kirchen müssten den Menschen ganzheitlich wahrnehmen, weiter sei es wichtig, Empathie und Solidarität zu stärken; denn erst dann könnte auch Verletzlichkeit akzeptiert werden. Echter Trost setze voraus, dass der Schmerz des Gegenübers gesehen und anerkannt werde. Und auf politischer Ebene müsste die Verletzlichkeit benachteiligter Bevölkerungsgruppen thematisiert werden, damit deren Bedürfnisse in politischen Entscheiden berücksichtigt würden. So kamen in den Präsentationen zahlreiche ermutigende Statements zusammen, die in die Arbeit von Mission 21 einfliessen.

Bericht: Mission 21
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Bild: Feministische Perspektive auf die Pandemie. Prof. Dr. Isabel Apawo Phiri vom Ökumenischen Rat der Kirchen während des Gastvortrags. Foto: Mission 21