31.3.2023

Grosses Jahr für Johannes Comander

Antistitium, Disputation, Theater, Gemeindefest und Besinnung - so heissen die fünf Leuchttürme, mit denen die Reformierte Kirche Chur "500 Jahre Reformation" feiert. Im Jahr 1523 wurde Johannes Comander als Pfarrer nach Chur berufen. Als Churer Antistes (umgangssprachlich: "Obristpfarrer") wurde er zur treibenden Kraft der reformatorischen Umbrüche im Freistaat Gemeiner Drei Bünde. Der Kampf für die Reformation sei zugleich ein Kampf um mehr Demokratie gewesen, so die Mitteilung zum Comanderjahr. Der in Chur wohnhafte Reformator hätte sich stark gemacht für eine freie Wahl der Glaubenszugehörigkeit und die Gleichberechtigung unabhängig von Geschlecht und individuellem Stand. Mit der Bündner Deklaration der Religionsfreiheit vom März 1526 sei eine "für Europa einzigartige und sehr fortschrittliche Wahlfreiheit" eingeführt worden. Dies habe im Freistaat Gemeiner Drei Bünde zu einer "modernen Debattenkultur und neuen Freiheiten" beigetragen.

Mit der Erschliessung des Antistitiums für die Öffentlichkeit will die Reformierte Kirche Chur einen neuen Zugang zu den alten Geschehnissen ermöglichen. "Das Haus ist eine Perle", sagte Kirchgemeindepräsident Curdin Mark anlässlich der Präsentation des Buchs "500 Jahre Antistitium - ein Beitrag zur Churer Bau- und Kirchengeschichte". Das von der Reformierten Kirche Chur aufwendig renovierte Haus an der Kirchgasse sei eines der ältesten Häuser der Stadt und erzähle spannende Geschichten über sich selbst und über die Menschen, die hier gewohnt haben - so Mark weiter. Eine Installation, kuratiert von Bruno Meier und konzipiert von Margarethe Greiner, macht den Rundgang im Antistitium zum Erlebnis. In der gotischen Stube etwa hört die Besucherin per Knopfdruck Pfarrer Georg Saluz (1571-1645) über die Umbrüche seiner Zeit sinnieren. Ein Stockwerk weiter unten gibt es einen Erklärfilm mit Ballonfahrt zu den verschiedenen Stätten der Reformation in Chur.

Beitrag zur Bau-, Kultur- und Kirchengeschichte. Die im Tardis-Verlag erschienene Publikation enthält spannende Beiträge zur Churer Stadt- und Baugeschichte. Das Antistitium sei ein "Haus der Einkehr und der theologischen Reflexion" gewesen, sagte Kirchenhistoriker und Pfarrer Jan-Andreas Bernhard. Das habe sich allein schon darin gezeigt, dass hier berühmte Persönlichkeiten als Gäste zu Besuch waren: Martin Luther zum Beispiel, auch Conrad Gessner, David Creuzer oder Albert Schweitzer. Sereina Alther vom Archäologischen Dienst Graubünden schilderte den "mittelalterlichen Kernbau", erläuterte die Auswirkungen des Stadtbrands im Jahr 1464 und erzählte, wie die Stadt Chur das Haus vom Kloster Disentis erwarb. Der Kunsthistoriker Marc Antoni Nay wusste Spannendes zur Hasenstube zu sagen ("vermutlich ein halböffentlicher Raum"), insbesondere auch zum Wandbild, das in karnevalistischer Manier einen Triumphzug der Hasen über die Jäger zeigt. Es sei die Darstellung einer verkehrten Welt, sagte Nay, mit Hellebarden, Cavallerie und Füsilieren. "Nein, die reformierten Gebäude sind keine Heiligtümer", sinnierte er, "das Antistitium schon gar nicht".

Führungen durch das neu erschlossene Antistitium gibt es ab 6. Mai in Zusammenarbeit mit Chur Tourismus.
Das Buch "500 Jahre Antistitium - ein Beitrag zur Churer Bau- und Kirchengeschichte", ist im Tardis Verlag Chur erschienen.

Comander2023, Webseite
Südostschweiz vom 31.3.2023
TV Südostschweiz vom 31.3.2023

weitere:
SRF Regionaljournal vom 23.3.2023, Chur feiert 500 Jahre Reformation (ab 7:18)  
 

Bild: Marc Antoni Nay in der Hasenstube
Foto: Stefan Hügli