29.6.2025

Nachdenken über die Sprache

Religiöse Rede kann "verzücken" - so die Pfarrerin Maria Claudia Schneebeli in ihrer Synodalproposition. Das mache ihre Lebendigkeit aus, ihre Gefahr und ihren Reiz.  

"Wie reden, dass ich verstanden werde?" – diese Frage stand am Anfang der Proposition, welche Maria Claudia Schneebeli am Samstag in der reformierten Kirche Seewis hielt. Heute seien viele Gottesdienstbesuchende nicht mehr vertraut mit der Kirchensprache, meinte die Pfarrerin und Literaturwissenschafterin aus Pontresina. Das bringe sie als Predigerin in Bedrängnis: Soll sie, um verstanden zu werden, auf religiöse Aussagen verzichten und sich auf die Alltagssprache beschränken? "Eine Predigt muss berühren", das steht für Schneebeli fest. Sprache soll mit Leib und Seele verstanden werden, soll inspirieren und neue Sichtweisen eröffnen. Das sei zwar ein hoher Anspruch, gibt sie zu. Unter Umständen jedoch genüge ein einziger Satz, ja sogar nur ein Wort. "Manchmal springt der Funke, manchmal nicht."

Die reformierte Tradition habe viel Energie in die Reflexion investiert in der Absicht, den Geist des Evangeliums zu schützen - so die Proponentin. Das habe zu einer "Wortlastigkeit" geführt. Mit zu den Kindheitserinnerungen der Pfarrerin gehört, dass sie von den Eltern zu Gottesdiensten mitgenommen wurde, in denen sie die Worte nicht verstand. Dennoch habe sie sich angesprochen gefühlt durch den Raum, die Farben der Kirchenfenster und die Musik. "Das gefiel mir, ohne es zu verstehen", erinnert sich die Pfarrerin. Erst viel später habe sie eine religiöse Sprache kennengelernt, die ebenso sinnlich und transzendent ist. Und diese Faszination hat sie bis heute nicht losgelassen. An Beispielen aus der Theopoesie zeigte Schneebeli auf, wie mit biblischen Texten lustvoll, überraschend und beglückend anders umgegangen werden kann. 

Der Wunsch, verstanden zu werden, dürfe nicht dazu führen, dass religiöses Reden die Transzendenz vermeide - das unterstrich auch der Theologe und Literaturwissenschafter Andreas Mauz in seinem Korreferat. Er bekräftigte die Ausführungen Schneebelis und verwies auf die Bedeutung und Besonderheit "geerbter Sprache". Dazu zählt er liturgische Stücke, Lieder und biblische Texte. Das Besondere daran sei, dass man geerbte Sprache sprechen und singen kann, ohne sie ganz zu verstehen. Dennoch würde sie dabei ihre Stärke ausspielen inde  sie auf einen anderen Sinnzusammenhang verwiese oder an den Möglichkeitssinn appelliere. "Ja, wir sind eine wortlastige Kirche", sagte auch Mauz, "aber es gibt Möglichkeiten, das zu erweitern." Beim Predigen etwa durch "tentatives Reden" und Improvisation. "Wir müssen wieder lernen, im Ungewissen zu agieren." 

Am Beispiel von Nora Gomringer und der Nachdichtung von Psalmen durch Ruth Näf Bernhard konnten die Synodalen erleben, wie solche Sprache konkret gelingt. In der Diskussion wurde die Bedeutung von "sprachlichen Zwischenräumen" unterstrichen, ebenso aber auch gemahnt, dass "harte Aussagen" von biblischen Texten durch Poesie nicht verwischt werden dürften. Und, aller Faszination für Poesie zum Trotz: Man dürfe beim Predigen den Kontext von biblischen Texten nicht ausser Acht lassen. Der kulturelle Hintergrund sei wichtig, um gewisse Anspielungen zu verstehen. Unbestritten unter den Synodalen aber war die Faszination für das Propositionsthema und die Erfahrung, dass die Arbeit mit Sprache anspruchsvoll und zugleich lohnend sei. Denn Worte hätten Kraft - und das mache ihre Lebendigkeit aus, ihre Macht und ihren Reiz.

Stefan Hügli
Kommunikation

Synode2025, Bildeindrücke (.pdf, 50 MB)  Synode2025, Bildeindrücke (.jpg, 150 MB) 


Bild: Ein starkes Propositionsteam: Pfrn. Maria Claudia Schneebeli und Korreferent Dr. Andreas Mauz.